Jährlich werden weltweit zwischen 36 und 53 Millionen Abtreibungen vorgenommen, bis zu 22 Millionen davon heimlich. Das entspricht 150.000 Abtreibungen täglich. Jeder dritte Schwangerschaftsabbruch findet dabei unter unsicheren Verhältnissen statt, jeden Tag bezahlen rund 500 Frauen diese riskanten Eingriffe mit ihrem Leben.
In einer jetzt veröffentlichten Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO zum Thema Geburtenkontrolle wird die Zahl der Frauen, die jährlich an Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt sterben, auf über 500.000 geschätzt. Etwa 300 Millionen Paare, die keine weiteren Kinder haben möchten, verfügen laut Studie über keinerlei Möglichkeiten zur Familienplanung. Dem stehen weltweit 60 Millionen unfruchtbare Paare gegenüber.
Erstaunlicherweise sind die meisten Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen, verheiratet oder haben einen festen Partner sowie mehrere Kinder. Ebenfalls überraschend für die Experten war die Tatsache, daß in Ländern mit liberaler Gesetzgebung Abtreibungen nicht häufiger sind als in den 52 Nationen, die als einzige Indikation eine Gefährdung des Lebens der Mutter gelten lassen.
Der Bericht „Reproductive Health: A Key to a Brighter Future“ bilanziert die Resultate 20jähriger Anstrengungen der WHO auf dem Gebiet der menschlichen Fortpflanzung. Trotz ständig wachsender Weltbevölkerung gibt es auch Positives zu vermelden. So fiel die „Fruchtbarkeitsrate“, also die durchschnittliche Zahl der Kinder, für Frauen in den Entwicklungsländern in den letzten 25 Jahren von 6,1 auf 3,9.
Erfolge waren vor allem in Ostasien zu verzeichnen, wo sich mittlerweile zwei von drei Paaren um Geburtenkontrolle bemühen. WHO-Generaldirektor Hiroshi Nakajima macht dafür die bessere Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln verantwortlich. Dagegen führt die Familienplanung in Afrika noch immer ein Schattendasein, jede Frau gebärt dort im Mittel sechs Kinder.
Insgesamt betreibt in der Dritten Welt mittlerweile jede zweite Frau im gebährfähigen Alter irgendeine Form der Familienplanung gegenüber nur jeder zwölften im Jahr 1970. Den größten Anteil nimmt die Sterilisierung der Frau ein, gefolgt von Spiralen und Pessaren, der Pille, Kondomen und der Sterilisierung des Mannes. „Dennoch fehlt es noch immer an sicheren, wirksamen und akzeptablen Methoden zur Familienplanung für eine wachsende Erdbevölkerung“, bilanzierte Dr. Mahmoud Fathalla, Direktor des WHO-Programmes und einer der Autoren des Berichts.
(erschienen in „DIE WELT“ am 8. Juli 1992)