Erste Gentherapie erfolgversprechend

Der weltweit erste Versuch zur Gentherapie am Menschen scheint ein Erfolg zu werden. Behandelt wurde ein vier Jahre altes Mädchen, dessen Identität noch geheim ist. Es produziert nach dreimonatiger Therapie jetzt wieder aus eigener Kraft einen Eiweißstoff, der sie vor einer tödlichen Stoffwechselkrankheit schützt. „Dies sind nur die ersten vorläufigen Ergebnisse, aber wir sind darüber sehr aufgeregt“, sagte French Anderson vom Nationalen Herz-, Lungen- und Blutinstitut der USA.

Bei der ADA-Defizienz, so der Name der äußerst seltenen Erbkrankheit, wird aufgrund eines Gendefekts keine Adenosindeaminase (ADA) produziert. Der Mangel an diesem Eiweiß führt zu einer Vergiftung der menschlichen Abwehrzellen und zum Zusammenbruch des Immunsystems. Der Körper ist dann den Angriffen von Bakterien und Viren schutzlos ausgeliefert. Weltweit sind nur 25 Patienten bekannt, die unter der ADA-Defizienz leiden. Ihre Lebenserwartung reicht bisher nicht über die frühe Kindheit hinaus.

Die Krankheit war schon sehr früh als aussichtsreicher Kandidat für eine Gentherapie auserkoren worden. Bereits 1986 hatten Anderson und seine Kollegen Michael Blaese und Kenneth Culver ihre Methode im Reagenzglas erfolgreich durchgeführt. Dann mussten sie ihr Behandlungsschema noch einem Dutzend Komitees zur Begutachtung vorlegen, bis endlich im September die Genehmigung für den Eingriff erteilt wurde. Noch im gleichen Monat spritzen die Ärzte dem Mädchen rund zehn Milliarden gentechnisch veränderte Immunzellen in die Blutbahn.

In die Zellen, die zuvor der Patientin entnommen worden waren, hatten die Mediziner ein gesundes Gen mit der Information zur Herstellung von ADA eingeschmuggelt. Die Ärzte bedienten sich dabei eines Mäusevirus als „Genfähre“, die das kleine Stückchen Erbinformation in die Immunzellen einbrachte.

Gegen diese Methode des Gentransfers hatte es vorher Einwände von Kritikern gegeben. Bei der Übertragung von Genen, die im Tierversuch schon mehrfach erfolgreich erprobt wurden, besteht die Schwierigkeit darin, nur die gewünschten Zielzellen zu treffen. Das Gen sollte dann im Idealfall genau an die Stelle platziert werden, an der es natürlicherweise vorkommt. Da beispielsweise die menschliche Erbinformation in jeder Zelle ungefähr einen Meter lang ist und sich dort etwa 100.000 Gene befinden, ist die Gentherapie eine herausragende Aufgabe.

Zusätzliche Probleme können entstehen, wenn das eingebrachte Fremdgen sich zwischen wichtige Erbinformationen einschiebt und diese dadurch unleserlich macht. Auch fürchten Kritiker, dass durch solch einen Vorgang sogenannte Onkogene aktiviert werden könnten, die unter ungünstigen Umständen zur Bildung von Tumoren führen.

Bisher sieht alles danach aus, als ob sich diese Befürchtungen nicht bestätigen. Während das Mädchen bislang fast ständig krank war, erlitt es seit Beginn der Behandlung nur einen Schnupfen. Vorläufig allerdings warnt Blaese vor übertriebenen Hoffnungen. „Wir wissen noch nicht, ob dies auf unsere Behandlung zurückzuführen ist – dennoch, die Resultate sind ermutigend.“

Sollte sich die gute Nachricht bewahrheiten, könnte die Gentherapie auch bei vielen anderen Krankheiten zum Einsatz kommen. Ein zweites Experiment an einer kleinen Gruppe von Patienten mit normalerweise tödlichem Hautkrebs (Melanom) ist bereits angelaufen.

(Original erschienen in der WELT am 19. Dezember 1990. Überarbeitet am 5. Juni 2017)

Was ist daraus geworden? French Anderson gilt heute zu Recht als Pionier der Gentherapie. Allerdings wurde er 2004 wegen Kindesmissbrauch verhaftet und 2007 dafür zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Gesundheitszustand des Mädchens (inzwischen weiß man, dass sie Ashanti DeSilva heißt), stabilisierte sich. Laut einem Bericht im Deutschlandfunk war sie 2015 mit 29 Jahren noch bei guter Gesundheit. Geheilt wurde sie aber nicht. Die eingeschleusten Gene verschanden über die Jahre wieder aus ihrem Körper und sie erhält jetzt Medikamente, die den Enzymmangel ausgleichen.

Radon – Der gefährlichste Luftschadstoff Deutschlands?

„Nach unserer Einschätzung ist Radon der gefährlichste Luftschadstoff in Deutschland.“ Mit dieser Meinung, vorgetragen auf einem Seminar der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF), steht Dr. Herwig Paretzke nicht allein. „Da die meisten Menschen es vorziehen, in einem geschlossenen Haus zu leben, müssen wir uns mit einem gewissen Risiko abfinden.“ Auch auf die Frage, wie groß denn dieses Risiko sei, hat Paretzke eine Antwort parat: „Wir schätzen, dass zehn Prozent des Lungenkrebsrisikos in Deutschland durch Radon verursacht wird.“

Zwei Tage lang hatten Experten in Bonn über das Thema „Umwelt und Krebs“ diskutiert und versucht, die Bedeutung einzelner Faktoren zu bewerten. Völlig einig sind die Wissenschaftler sich nur beim Zigarettenrauch, der für fast ein Drittel aller Krebstoten verantwortlich gemacht wird. Die Belastung der Bevölkerung durch Dioxin und dessen Abkömmlinge wurde dagegen bisher wohl eher zu hoch eingeschätzt.

Vor kurzem korrigierte daher die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre Empfehlung zur „duldbaren Aufnahme“ des Sevesogiftes nach oben: Eine tägliche Aufnahme von 10 billionstel Gramm Dioxin pro Kilogramm Körpergewicht sei noch nicht bedenklich, urteilten die Experten nach sorgfältiger Durchsicht der Daten von Zehntausenden dioxinexponierter Personen. Zuvor hatte man den Schwellenwert auf ein Picogramm veranschlagt, eine Marke, die auch weiterhin für Deutschland angestrebt wird.

Während somit das „Supergift“ Dioxin allmählich wieder aus den Schlagzeilen verschwinden dürfte, wendet sich die Aufmerksamkeit nun dem Radon zu, einem Edelgas, das aus den Tiefen des Erdreiches aufsteigt und beim Zerfall radioaktive Strahlung in Form von Alpha-Teilchen freisetzt. Es handelt sich dabei um einen natürlichen Prozess, der größtenteils im Untergrund abläuft und für den Menschen erst dann gefährlich wird, wenn das Radon nicht entweichen kann, sondern in Kellergewölben oder gar im Wohnzimmer „gefangen“ wird. Die Verteilung des Radons im Erdreich ist abhängig von der jeweils vorherrschenden Gesteinsart, es findet sich besonders in granithaltigen Böden.

Das Problem hat vor allem in den USA eine Fülle von Aktivitäten ausgelöst. Dort verlangen neuerdings immer mehr Interessenten beim Häuserkauf Bericht über die gemessenen Radonkonzentrationen. Der Kongress verabschiedete bereits 1988 ein „Radonverminderungsgesetz“ mit dem Ziel die Radonkonzentrationen in Häusern auf die Werte zu reduzieren, die im Freien herrschen. Die durchschnittlichen Kosten für Ventilationsmaßnahmen und Abdichtungen würden pro Haus etwa 15.000 Mark betragen. Das Geld, so meint man bei der Umweltschutzbehörde EPA, sei gut angelegt, weil jährlich bis zu 20.000 Fälle von Lungenkrebs auf das Konto von Radon gingen.

In Deutschland sind vor allem das Fichtelgebirge, Teile des Saarlandes und das Erzgebirge betroffen. Bereits im Jahre 1597 hatte Agricola vom „Schwarzem Tod“ in den Gruben des sächsischen Schneeberg berichtet; heute weiß man, dass es sich dabei um Tumoren der Lunge handelt, die bei Bergarbeitern bis in unsere Zeit gehäuft beobachtet wurden. Genau das aber ist auch der Schwachpunkt der bisherigen Studien: Sie stützen sich nämlich vorwiegend auf Auswertungen der Lungenkrebshäufigkeit bei Bergarbeitern.

Diese Bevölkerungsgruppe aber hat Radon nicht etwa in Form des „reinen“ Edelgases inhaliert. Vielmehr wurde Aerosol eingeatmet, kleine Staubpartikel also, an deren Oberfläche das Radon haften blieb. Der Unterschied ist gravierend, weil reines Radon praktisch mit dem nächsten Atemzug die Lunge wieder verlässt, während Aerosolteilchen ähnlich wie Zigarettenrauch lange Zeit ihre zerstörerische Wirkung auf die Atemwege entfalten können. Eine Untersuchung an Kumpeln, die im amerikanischen Bundesstaat Colorado Uran abbauten, konnte zeigen, dass die Krebsgefahr um ein Vielfaches zunahm, wenn die Bergleute ihre Lungen zusätzlich mit Zigarettenrauch malträtierten.

Dr. Bernhard Cohen von der Universität Pittsburgh kommt bei gründlicher Analyse der Daten für die „normale“ Bevölkerung denn auch zu dem Schluss, dass Radon bei den geringen Mengen, die in „Durchschnittshäusern“ gefunden werden, keinen nachteiligen Effekt auf die Gesundheit hat. Cohen meint, man solle sich auf die verhältnismäßig geringe Anzahl von Häusern mit hoher Belastung konzentrieren und diese gezielt sanieren. Diese Empfehlung entspricht im Übrigen der deutschen Vorgehensweise in den hauptbetroffenen Gebieten, vor allem in den neuen Bundesländern.

(erschienen in der WELT am 17. Dezember 1990)

Gesundheitsproblem Diesel

Der Diesel als Treibstoff der Zukunft? Jedem, der schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, auf engen Landstraßen stundenlang hinter einem Lkw her kriechen zu müssen, welcher unentwegt dichte Rußwolken ausstieß, muss diese Theorie Furchen der Skepsis auf die Stirn zaubern.

Derartige traumatische Erlebnisse seien Einzelfälle, die nicht den Blick auf die unbestrittenen Vorteile dieser Technologie trüben sollten, beschwichtigt die Diesellobby. Den eines ist sicher: mit herkömmlichen Otto-Motoren lassen sich die niedrigen Verbrauchwerte eines Diesels nicht erreichen. Pro gefahrenem Kilometer produzieren der Diesel deutlich weniger Kohlendioxid (C02) und weniger Stickoxide (NO) als die besten Ottomotoren heutiger Produktion.

Da C02 Hauptverursacher des Treibhauseffektes ist und Stickoxide nach einigen Zwischenreaktionen die Ozonkonzentrationen am Boden in die Höhe treiben können, bekam der Diesel auch flugs das Prädikat „umweltfreundlich“. Die Belohnung in Form einer deutlichen Steuerermäßigung für die „schadstoffarmen“ Fahrzeuge ließ nicht lange auf sich warten.

Eine andere Bewertung ergibt sich allerdings, wenn das Augenmerk auf die Emission von Partikeln (Ruß), Schwefeldioxid (SO2) oder die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAH) gerichtet wird. Von all diesen Substanzen produziert der Diesel nämlich deutlich größere Mengen als der Ottomotor. „Von daher ist die Bewertung des Diesels als umweltfreundlich und steuerermäßigt nicht zu verstehen“, bilanzierte Dr. Uwe Heinrich vom Institut für Toxikologie und Aerosolforschung der Fraunhofergesellschaft. Auf einem Seminar der Gesellschaft für Strahlenforschung, das kürzlich in München stattfand, wurde eine ganze Reihe von Erkenntnissen präsentiert, die das Klischee vom sauberen Diesel zunichtemachen könnten.

„Die ganze Crux ist das Dieselrußpartikel“, so Heinrich. Diese winzigen Teilchen entstehen bei der unvollständigen Verbrennung des Treibstoffes. Ein Kern aus Kohlenstoffatomen bildet die Grundlage auf dem sich die PAH mit ihrem bekanntesten Vertreter Benzo(a)pyren absetzen. Ein Teil dieser Partikel wird nach dem Einatmen in der Lunge abgelagert und kann dort – zumindest bei Ratten – Tumoren hervorrufen.

Ein Oxidationskatalysator, wie er von einigen Automobilherstellern bereits serienmäßig angeboten wird, soll da Abhilfe bringen. Doch lassen sich die freigesetzten Partikeln mit heutiger Technologie nur um ein Zehntel reduzieren – in den Entwicklungsabteilungen der großen Konzerne wird darum auch unter Hochdruck an der Verbesserung des Diesel-Kats gearbeitet. In der Zwischenzeit verweist man zum Beispiel bei BMW darauf, dass die Menge an PAH, welche sich auf den Partikeln niederschlägt, drastisch reduziert sei. Die Diskussion verlagert sich dadurch auf die Frage, ob es die krebserregenden Mitglieder der PAH-Familie sind, die für die beobachteten Lungentumoren verantwortlich sind, oder ob andere Mechanismen für die Krebsentstehung verantwortlich sind.

Arbeiter nämlich, die an Kokereiöfen tätig waren, mussten PAH-Konzentrationen verkraften, die um ein Vielfaches über dem liegen, was Dieselmotoren freisetzen. Dennoch konnte für diese Bevölkerungsgruppe keine Vermehrung der Krebsfälle nachgewiesen werden. Ratten dagegen entwickelten Tumoren, nachdem sie gezwungen wurden, über längere Zeiträume hinweg verdünnte Dieselabgase in verhältnismäßig geringen Konzentrationen einzuatmen.

Eine interessante Entdeckung verwies die Wissenschaftler dann auf die „nackten“ Partikel als die eigentlichen Übeltäter: Die Tiere entwickeln nämlich Lungenkrebs auch dann, wenn sie nur Aktivkohle einatmen; feinverteilter Kohlestaub also ohne jegliche weiteren Schadstoffe. Möglicherweise verursacht dann die große Oberfläche des Dieselrußes biologische Reaktionen auf den Zellen der Lunge; der Reaktionsmechanismus wäre dann ähnlich dem von Asbestfasern, welche laut Statistik in Deutschland für jährlich mehr als 1000 Fälle von Lungenkrebs und anderen Tumoren verantwortlich sind.

Sollten sich die Hinweise dafür erhärten, dass die „nackten“ Rußpartikel auch beim Menschen krebserregend sind, dann bleibt für die Ingenieure der Automobilfirmen nur eine Lösung: Ein Rußfilter muss her. Derzeit allerdings sind diese Vorrichtungen noch so teuer, dass sich der Einbau nur bei Lastkraftwagen lohnt. Der Einkaufspreis eines Golf Diesel würde sich durch solch eine Maßnahme beinahe verdoppeln; ein Opfer, das auch umweltbewusste Kraftfahrer wohl kaum auf sich nehmen werden.

(erschienen in der WELT am 12. Dezember 1990)

Was ist daraus geworden? Der Artikel ist so alt, dass darin noch nicht einmal das Wort „Feinstaub“ auftaucht. Dies ist jedoch, wie man spätestens nach dem VW-Skandal wissen sollte, ein ziemlich großes Gesundheitsproblem geworden. Das Umweltbundesamt hat vorgerechnet, dass er deutschlandweit jährlich etwa 45000 Menschen das Leben kostet. „Schuld“ sind daran allerdings nicht mehr in erster Linie Dieselfahrzeuge, sondern unsere Heizungen, Kohlekraftwerke, die Landwirtschaft und der Straßenverkehr, auch durch den Abrieb von Reifen. Für Dieselmotoren gibt es seit ca. 15 Jahren Partikelfilter, sodass diese heute sogar deutlich weniger Rußpartikel hinterlassen, als ein moderner Ottomotor mit Direkteinspritzung (siehe z.B. diesen Beitrag im Deutschlandfunk).

Aids – Der Stand der Forschung 1990

Die Immunschwächekrankheit Aids wurde erstmalig im Juni 1981 bei jungen amerikanischen Homosexuellen festgestellt. Zwei Forschergruppen, eine französische um Luc Montagnier am Pariser Pasteur-Institut und eine amerikanische um Robert Gallo am amerikanischen Krebsinstitut waren es, die das Virus als erste isolieren und in Zellkulturen vermehren konnten.

Ein Aids-Virus beim Verlassen einer infizierten Zelle (Foto: NIH via Wikipedia)

Damit war die Grundlage für eine weitere Erforschung des Virus gelegt. Montagnier verkündete die Entdeckung im Oktober 1983, erst Jahre später einigte man sich auf den Namen HIV (Humanes Immundeffizienz Virus). Die weitere Entwicklung vollzog sich mit rasender Geschwindigkeit: Noch im gleichen Jahr der Entdeckung stand ein Bluttest zur Verfügung, mit dem die Infektion nachgewiesen werden konnte. In mehreren Labors wurde das genetische Material des Virus isoliert (geklont) und in seine Bestandteile zerlegt.

Man fand ein sehr kompliziertes Regelwerk mit dem HIV sich lange Zeit unbemerkt in infizierten Zellen aufhalten kann, um dann schlagartig neue Viruspartikel zu produzieren. 1984 gelang es Robin Weiss, dem Direktor des Londoner Krebsforschungsinstitutes, das Virus an der Infektion seiner Wirtszellen zu verhindern – zumindest im Reagenzglas. Weiss blockierte dafür die Bindungsstellen von HIV mit einem Antikörper, ein Ansatz der heute bereits im Stadium der klinischen Erprobung ist.

1985 fand Montagnier ein zweites Aids-Virus (HIV-2) in Blutproben von Patienten, die lange Zeit in Guinea-Bissau gelebt hatten, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie in Westafrika. In der Zwischenzeit hat man auch mehrere HIV-Verwandte gefunden, die Affen infizieren. Obwohl die Entstehung des Virus noch nicht völlig geklärt ist, spricht vieles dafür, das HIV vor spätestens 25 Jahren im westlichen Afrika zum ersten Mal auf den Menschen übertragen wurde.

Auf der Suche nach Medikamenten die das tödliche Virus stoppen können wurden tausende von möglichen Substanzen erprobt. So hatte beispielsweise die Arbeitsgruppe von Samuel Broder am Nationalen Krebsinstitut der USA schon im Frühjahr 1985 unter 300 getesteten Substanzen 15 gefunden, die die Vermehrung des Virus im Reagenzglas unterbinden können. Als besonders erfolgversprechend erschien AZT (Azidothymidin), das im Juli 1985 an den ersten Patienten abgegeben wurde. Im Herbst 1986 hatten Studien an 12 amerikanischen Kliniken gezeigt, dass AZT die Lebenserwartung von Aids-Patienten erhöht und die Lebensqualität verbessern kann. Eine Heilung durch AZT ist allerdings nicht möglich, auch sind die Nebenwirkungen erheblich, so dass AZT nicht von allen Betroffenen eingenommen werden kann. Andere Medikamente wie Dideoxyinosin (DDI), die dem AZT in Struktur und Wirkungsweise sehr ähnlich sind, befinden sich derzeit in Erprobung. Vorläufig allerdings bleibt AZT das einzige zugelassene Medikament gegen Aids.

Langfristig streben die Forscher allerdings nicht die Entwicklung immer neuer Medikamente an, sondern die Entwicklung eines Impfstoffes, mit dem sich die Krankheit von vornherein verhindern ließe. Im Gegensatz zu anderen Viren, wie den Erregern von Masern und Mumps, von Pocken und Polio wird die Entwicklung eines HIV-Impfstoffes durch mehrere Umstände erschwert: Das Virus kann sich innerhalb der befallenen Zellen verstecken, zudem fehlt es an einem geeigneten Tiermodell, das die gleichen Symptome wie befallene Menschen zeigt. Möglicherweise können hier Mäuse mit einem menschlichen Immunsystem aushelfen, wie sie unter anderem von Gallo untersucht werden. Es bleiben aber die ethischen Probleme beim Verabreichen eines Impfstoffes zu überwinden, dessen Wirksamkeit noch nicht belegt ist.

Ob der Entwickler des Polio-Impfstoffes, Jonas Salk mit getöteten Aids-Viren Erfolg haben wird, ob einzelne Bestandteile des Virus ausreichen oder ob andere, unkonventionelle Impfstrategien zum Ziel führen werden ist derzeit noch nicht abzusehen.

(Ein nach meinen Unterlagen offenbar unveröffentlichter Hintergrundbericht)

Was ist daraus geworden? Als das Aids-Virus sich in den 1980er und 1990er Jahren weltweit verbreitete, war dies die wohl wichtigste und bedrohlichste Entwicklung in der Biomedizin. Entsprechend oft habe ich darüber geschrieben und durfte mitverfolgen, wie (auch unter dem Druck der Aktivisten) innerhalb kürzester Zeit immer bessere Medikamente entwickelt wurden und die Epidemie durch große Aufklärungskampagnen begrenzt wurde. Natürlich gab es bei dieser Geschichte nicht nur Helden, sondern auch Schurken, die durch ihr Zögern oder aus Konkurrenzdenken noch schnellere Fortschritte verhindert haben. Dennoch sollte man den Erfolg im Kampf gegen diese Seuche nicht kleinreden. Inzwischen ist AIDS zu einer beherrschbaren Krankheit geworden – und dies nicht nur in den Industrieländern. Wer genauer wissen will, wie es dazu gekommen ist, dem empfehle ich von Randy Shilts „And the Band Played On“ (deutsch: „Und das Leben geht weiter„) und von David France „How to Survive a Plaque„.

HIV/AIDS – Ein Impfstoff braucht noch Zeit

Mit allen Tricks kämpfen die Forscher heute gegen das Aids-Virus (HIV). Ohne Übertreibung lässt sich wohl behaupten, dass noch niemals innerhalb so kurzer Zeit so viel über einen Krankheitserreger gelernt worden ist. Warum, so fragt sich die sensibilisierte Öffentlichkeit, gibt es dann aber „noch immer“ keinen Impfstoff gegen Aids?

Das AIDS-Virus unter dem Elektronenmikroskop (Von CDC/Dr. Edwin P. Ewing, Jr via Wikipedia)

Eine
ganze Reihe von Viren lassen sich in
abgetöteter oder abgeschwächter Form
direkt als Impfstoff verwenden. Sie
verpassen der Immunabwehr einen
regelrechten „Denkzettel“, indem sie
den weißen Blutzellen ihre
Bestandteile präsentieren. Da diese
Bestandteile (es handelt sich um
kurze Abschnitte der Eiweiße, aus
denen die Impfviren zusammengesetzt
sind) im Körper normalerweise nicht
vorhanden sind, werden sie als
„fremd“ erkannt und von Freß- und
Killerzellen attackiert.

Das Immunsystem „merkt“ sich diese
Begegnungen und hält sich ein Arsenal
spezialisierter Zellen auf Vorrat,
die bei einer nochmaligen Begegnung
mit den Fremdeiweißen sofort
losschlagen: Alles Fremde wird von
Macrophagen aufgefressen,
Killerzellen können die Feinde ebenso
durchlöchern wie befallene
Abwehrzellen, Antikörper hängen sich
an die Eindringlinge und machen sie
bewegungsunfähig; Bakterien können
mit Hilfe körpereigener Eiweiße (dem
Komplementsystem) gar vollständig
aufgelöst werden. Mit dieser Methode
war man gegen Masern und die
Kinderlähmung erfolgreich, die Pocken
wurden damit als bisher einzige
Krankheit offiziell ausgerottet.

Das Aids-Virus versteckt sich leider genau in den Zellen, welche eine der Säulen der körpereigenen Abwehr sind: Bereits kurz nach dem Eindringen ist das Überleben des Virus direkt mit dem seines Wirtes gekoppelt. Es kommt also darauf an, möglichst schon diesen Vorgang zu verhindern. Dabei helfen die sehr genauen Vorstellungen, die man in den letzten Jahren über die Moleküle gewonnen hat, welche bei diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielen.

Um die Kopplung von Virus und Immunzelle zu verhindern, welche mit dem Eindringen von HIV endet, werden heute massenhaft sogenannte CD4-Moleküle aus gentechnischer Produktion in das Blut bereits befallener Patienten gespritzt, welche die Ankerstelle des Virus blockieren und den fatalen Erstkontakt mit der Wirtszelle verhindern.

In einem besonders raffinierten Verfahren wurden auch „molekulare Zwitter“ hergestellt, deren eine Hälfte von CD4 gebildet wird und deren andere Hälfte dem Bruchstück eines Antikörpers entspricht. Bei diesen „Immunadhäsinen“, die sich ebenfalls bereits in der Erprobung befinden, bindet der CD4-Teil an das Virus, und der freibleibende Antikörperteil lockt eine ganze Reihe von Eiweißen an, die das Virus unter günstigen Umständen zerstören können. Beide Methoden hätten den Vorteil, dass sie von dem hochvariablen Aids-Virus nicht umgangen werden könnten. Jede Veränderung nämlich, die eine Bindung von CD4 verhindert, würde gleichzeitig dem Virus den Eintritt in die Wirtszelle verwehren.

Dennoch liegt das Fernziel der Forscher natürlich darin, einen wirklichen Impfstoff zu produzieren und nicht nur das Fortschreiten der tödlichen Krankheit zu verlangsamen. Eine ganze Reihe von Viren lassen sich zwar in abgetöteter Form als Impfstoff verwenden. Bei HIV allerdings hätten einzelne Viren, welche die Neutralisation unbeschadet überstehen, fatale Folgen. Es ist also höchste Vorsicht geboten.

Prinzipiell scheint die Methode aber auch bei HIV aussichtsreich zu sein. So gelang es, Makaken vor dem Affenvirus SIV zu schützen, einem nahen Verwandten des menschlichen Aids-Virus. Eine amerikanische Forschergruppe benutzte in diesem Versuch Formalin, um gereinigte Viren zu inaktivieren. Kurz nach der Impfung wurden zehn Tiere mit einer hohen Dosis intakter Viren beimpft, von denen neun die normalerweise tödliche Infektion überlebten.

In Rotchina war man bei einem weiteren nahen Verwandten von HIV erfolgreich. Es handelt sich um ein EAV genanntes Pferdevirus, das ebenso wie das menschliche Aids-Virus der Familie der Lentiviren angehört. Die infektiöse Pferdeanämie, die vor 25 Jahren noch ein großes Problem darstellte, ist heute in China kein Thema mehr. Bemerkenswerterweise wurde die Vakzine durch Dr. R. X. Chen schon in den siebziger Jahren entwickelt, fast 15 Jahre vor der Entdeckung von HIV.

Schließlich gelang es bereits mehreren Arbeitsgruppen, jeweils einige wenige Schimpansen erfolgreich zu impfen – teilweise mit kompletten abgetöteten Viren, teils auch mit Bruchstücken von HIV aus gentechnischer Produktion oder mit einer Kombination beider Impfungen. Versuche mit dem nächsten Verwandten des Menschen sind besonders aussagekräftig, auch wenn die Experten durch die Bank vor übertriebenen Erwartungen warnen. So ist es sehr problematisch aus der geringen Zahl der Versuchstiere (Schimpansen sind eine geschützte Art, ausgesprochen teuer im Unterhalt und nur langsam nachzuzüchten) zuverlässige Aussagen abzuleiten, wie sie für klinische Versuche am Menschen Voraussetzung sind.

Die Dauer des vermittelten Impfschutzes lässt sich zur Zeit ebenso wenig ermessen wie die Anzahl (und Kosten) der nötigen Impfungen. Selbst wenn diese Fragen geklärt sind müssen erst noch eine ganze Reihe ethischer Probleme gelöst werden, die von der Produkthaftung über die Auswahl der ersten Probanden bis zur Unterscheidung zwischen HIV-Infizierten und dem geimpften Personenkreis reichen. Eine weltweite Impfkampagne ähnlich der, die zur Ausrottung der Pocken führte, bleibt jedenfalls vorerst nur ein Traum.

(gekürzte Fassung erscheinen in der WELT am 30. November 1990. Letzte Aktualisierung am 12. Mai 2017)

Eine Handvoll Gene für die Ewigkeit

Wie alt kann ein Mensch eigentlich werden? Gibt es eine natürliche Grenze oder ist etwas dran an dem ketzerischen Gedanken, dass nur die Stellung einer Handvoll „genetischer Schalter“ uns von der Unsterblichkeit trennt?

Einzeller sind praktisch unsterblich; sie teilen sich munter immer weiter, es sei denn, ein „gewaltsamer“ Tod setzt ihrem Dasein ein Ende. Alle höheren Lebewesen aber mussten sich die Vorteile teuer erkaufen, die mit dem Zusammenschluss und der Spezialisierung von ehemals uniformen Einzelzellen einhergehen. Spätestens mit der „Erfindung“ der sexuellen Vermehrung wurde auch der Tod ein Teil des Lebens.

Dies zu akzeptieren fällt vielen Menschen schwer. Dass sich die Lebenserwartung seit dem Einbruch des industriellen Zeitalters auf weit über siebzig Jahre verdoppelt hat, ließ übertriebene Erwartungen aufkommen. Damit wird auch die Altersforschung interessant: Die Etats der Wissenschaftler steigen rapide an; in der amerikanischen Pharmaindustrie investieren die Forschungsabteilungen heute fast jeden zweiten Dollar in die Erkundung und Vermeidung des Phänomens Alter.

Aus den Labors kommen faszinierende Erfolgsmeldungen. Die Lebensspanne der Fruchtfliege Drosophila melanogaster etwa konnte durch züchterische Auswahl verdoppelt werden. Michael Rose von der University of California in Irvine isolierte dazu solche Tiere, die ihre Geschlechtsreife erst relativ spät im Leben erreichten und verpaarte diese miteinander. Er wollte damit die Evolutionstheorie des Alterns testen, die besagt, dass eine Beziehung zwischen dem Eintreten der Geschlechtsreife und dem Beginn des Alterungsprozesses besteht.

Der Ausgang des Experiments scheint diese Theorie zu bestätigen. Gegenüber der amerikanischen Zeitschrift „Science“ bemerkte Rose: „Es handelt sich nicht nur um eine Verlängerung der Lebensspanne, sondern um eine tatsächliche Verschiebung des Alterungsprozesses. Ihre Fähigkeit, sich zu vermehren und zu fliegen, ist im Alter verbessert. Das ist so, als ob man 120 Jahre alt wäre und immer noch ein ordentliches Tennismatch spielen könnte.“

Auch bei der Meeresschnecke Phestilla sibogae gelang es, die normale Lebenserwartung von 60 Tagen um die Hälfte zu verlängern. Die Larven der Tiere schweben normalerweise drei Tage im Wasser; dann lassen sie sich auf dem Meeresboden nieder, ernähren sich von Korallen und entwickeln sich zu erwachsenen Tieren. Als Michael Hadfield von der Universität Hawaii die Tiere dazu zwang, einen Monat lang umher zu schwimmen, bevor er ihnen den begehrten Ruheplatz freigab, wurde hier ebenfalls die biologische Uhr angehalten – für einen Monat.

Seit langem schon bekannt ist die Tatsache, dass Zellen offensichtlich von Geburt an für eine bestimmte Anzahl von Teilungen „programmiert“ sind. Bindegewebszellen (Fibroblasten) aus einem menschlichen Embryo etwa machen in der Zellkultur ziemlich exakt 50 Teilungen durch, wobei der Zeitraum zwischen zwei Teilungen gegen Ende hin zunimmt. Schließlich sterben die Zellen ab. Entnimmt man die Fibroblasten aber einem achtzigjährigen, so wird man nur noch rund dreißig Teilungen beobachten können.

Friert man Zellen, die schon eine gewisse Anzahl von Teilungen hinter sich haben, in flüssigem Stickstoff ein und taut sie anschließend wieder auf, so laufen die verbleibenden Zellteilungen ab, als wäre nichts geschehen. Entscheidend ist also das biologische Alter, und nicht die tatsächlich verstrichene Zeit. Diese Experimente deuten auf ein „Uhrwerk“ hin, welches die Lebenszeit einer Zelle bemisst und als dessen Zeitgeber der Zellzyklus vermutet wird.

Gerät dieses Uhrwerk durcheinander, kann eine Zelllinie unsterblich werden, auch ohne dass sie sich in eine Krebszelle verwandelt. In den Laboratorien der Welt sind solche „immortalisierten Zelllinien“ längst zum unentbehrlichen Werkzeug der Wissenschaftler geworden.

Äußere Einflüsse können aber auch das Altern beschleunigen. In der Filmversion von Philip K. Dick’s Roman „Blade Runner“ etwa leidet einer der Darsteller an dem Werner-Syndrom, einer Krankheit, die leider mit Science-Fiction nichts zu tun hat. Zellen solcher Menschen altern vorzeitig; die meisten Patienten sterben schon vor ihrem fünfzigsten Lebensjahr. Ein Hoffnungsschimmer für die Betroffenen liegt darin, dass in der letzten Zeit eine ganze Reihe von biologischen Botenstoffen erkannt wurden, die man dank gentechnischer Methoden relativ preiswert und in größeren Mengen herstellen kann.

Einer dieser Botenstoffe, der, Epidermis-Wachstumsfaktor (EGF) kann zum Beispiel im Reagenzglas das Leben von Fibroblasten ganz entscheidend verlängern. Etwa 150 statt der normalen 50 Teilungen werden beobachtet, wenn EGF dem Nährmedium der Zellen zugeführt wird.

Auch dem menschlichen Wachstumshormon, das derzeit in Deutschland nur für die Behandlung bestimmter Formen des Zwergwuchses eingesetzt wird, sagen manche Experten eine große Zukunft voraus. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Substanz bei älteren Menschen zu einem Abbau von Fett und einem Zuwachs an Muskeln geführt hat. Kritiker warnen allerdings davor, diesen Stoff allzu leichtfertig einzusetzen.

Dennoch: Die Vorstellung, es gäbe bestimmte Substanzen, welche das Altern der Zellen beeinflussen, ist inzwischen gut belegt. Außer den bereits erwähnten Botenstoffen, welche den Alterungsprozess zu verzögern scheinen, gibt es offensichtlich auch Eiweiße, die eine Zelle alt machen. Verschmilzt man einen jungen, aktiven Fibroblasten mit einer Zelle, die ihre Teilungsfähigkeit bereits eingestellt hat, so wird die Vermehrung der Erbsubstanz auch in dem Zellkern gestoppt, der von dem jungen Fibroblasten stammt. Die alte Zelle enthält also mindestens eine Substanz, welche die Zellteilung blockieren kann. Alle Bemühungen, das mutmaßliche Eiweiß von der Menge der anderen Substanzen in einer Zelle abzutrennen, sind bisher gescheitert.

Mittlerweile wurden auch regelrechte „Schalter“ gefunden, deren Stellung einen deutlichen Einfluss auf die Lebensspanne haben. Die Rede ist von Signalen, die Teil unserer Erbsubstanz sind. Diese Signale sind oft äußerst kompliziert aufgebaut und bestimmen über Art und Menge der Stoffe, die von einer Zelle im Laufe ihres Daseins produziert werden. Am Biozentrum in Basel gelang es der Arbeitsgruppe um Walter Gehring kürzlich, durch die gezielte Änderung eines solchen Signals das Leben von Fliegen um bis zu 40 Prozent zu verlängern, einfach indem Elongationsfaktor in größerer Menge produziert wurde.  Dieses Eiweiß spielt eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Erbinformation in biologisch aktive Substanzen.

Trotz großer Mühen sind die erstaunlichen Resultate der Altersforschung bisher nur vereinzelte Mosaiksteinchen in einem Bild von gewaltiger Komplexität. Noch immer sind die Wissenschaftler weit davon entfernt, die Vorgänge zu durchschauen, die uns altern lassen. Typisch scheint der Seufzer des kalifornischen Gerontologen Edward Schneider: „Wenn wir schon Krebs für kompliziert gehalten haben, was sollen wir dann erst über das Altern sagen?“

(erschienen in der WELT am 17. November 1990. Letzte Aktualisierung am 12. Mai 2017)

Verdauungshilfe aus dem Genlabor

Ein gentechnisch hergestellter Futterzusatz soll schon im nächsten Jahr den Phosphatausstoß der Niederlande reduzieren helfen. Phytase, so der Name des Eiweißstoffes, ist für den Einsatz in der Schweine- und Geflügelzucht vorgesehen. Experten gehen davon aus, dass mit dieser Maßnahme jährlich 25 Millionen Tonnen Phosphat weniger freigesetzt werden. Dies ist mehr, als mit der Einführung phosphatfreier Waschmittel erreicht werden konnte.

Phosphate tragen maßgeblich zur Gewässerbelastung bei. Die Substanz wird in der Landwirtschaft in großen Mengen freigesetzt, da sie in der Gülle und auch im Kunstdünger enthalten ist. Da aber die riesigen Mengen Phosphat von den Kulturpflanzen nicht vollständig genutzt werden können, gelangt der Rest in die Flüsse und Meere. Heftiges Algenwachstum bis zum „Umkippen“ der Gewässer kann die Folge sein.

Auf einer Tagung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft stießen die Ausführungen von Dr. Rob Beudecker daher auf großes Interesse. Beudecker berichtete über Bemühungen, den Schadstoffausstoß der niederländischen Landwirtschaft zu reduzieren. Ausgangspunkt der Forscher war die Überlegung, dass handelsübliches Mischfutter für die Schweine- und Geflügelzucht mit mineralischem Futterphosphat ergänzt werden muss, obwohl der Phosphatgehalt pflanzlicher Nahrung theoretisch ausreichend für die Tiere wäre. Die Bioverfügbarkeit des Phosphates ist unzureichend, weil die Tiere das vorhandene Phosphat nur schlecht verwerten können.

Zwei Drittel des pflanzlichen Phosphates liegen nämlich in Form von Phytinsäure vor, welche nur mit einem bestimmten Eiweißstoff – der Phytase – „geknackt“ werden kann. Wiederkäuer bekommen die Phytase von Mikroorganismen im Pansen, geliefert, Schweine müssen ebenso wie Geflügel ohne die nützlichen Darmbewohner auskommen.

Das Enzym Phytase wird in gentechnisch veränderten Pilzen der Gattung Aspergillus hergestellt und als Futtermittelzusatz benutzt. Es verbessert die Aufnahme von Phosphat bei Geflügel und Schweinen und schont dadurch die Umwelt (Von Ayacop – adapted from http://www.pdb.org/pdb/files/1ihp.pdb using PyMOL, Gemeinfrei, via Wikipedia)

Die Idee, Phytase ins Futter zu mischen, wurde zwar schon vor 20 Jahren zum Patent angemeldet; erst jetzt aber bietet die Gentechnik die Möglichkeit, diesen Biokatalysator in großen Mengen zu niedrigen Preisen zu produzieren. Die Wissenschaftler der Firma Gistbrocades untersuchten über 1000 Mikroorganismen, um dann einen Pilz der Gattung Aspergillus zu isolieren, welcher eine Phytase produzierte, die den Ansprüchen des Marktes genügt: Das Eiweiß ist hochaktiv, vor allem unter den chemischen Bedingungen, die im Kropf des Geflügels sowie im Magen von Schweinen und Vögeln herrschen. Außerdem überlebt die Phytase aus Aspergillus die hohen Temperaturen, die bei der Pelletierung von Futtermitteln entstehen, fast ohne Aktivitätsverlust.

Um das Eiweiß in großen Mengen herstellen zu können, isolierten die Wissenschaftler den molekularen Bauplan für die Phytase und übertrugen dieses Gen erfolgreich auf einen Produktionsstamm. Bei der Verfütterung der so gewonnenen Phytase ergab sich, dass die Verfügbarkeit des Phosphates für Schweine und Geflügel um 20 Prozent zugenommen hatte, gleichzeitig wurde von den Tieren ein Drittel weniger Phosphat mit der Gülle ausgeschieden – was Beudecker für einen sinnvollen Beitrag zum Umweltschutz hält.

Beudecker erwartet jetzt eine Ausnahmegenehmigung der Regierung, sobald der Nachweis erbracht ist, dass die rekombinante Phytase für den Verbraucher unbedenklich ist. Schon im nächsten Jahr soll dann das Futtermittel in Zusammenarbeit mit der BASF auf den holländischen Markt gebracht werden.

In Deutschland ist eine solche Entwicklung übrigens nicht so schnell zu erwarten: In einer Empfehlung des Bundestages wurde die Regierung vor wenigen Wochen aufgefordert, sich in der EG dafür einzusetzen, dass gentechnische Methoden nicht eingesetzt werden, um in der Landwirtschaft weitere Leistungssteigerungen zu erzielen.

(erschienen in der WELT am 23. Oktober 1990. Letzte Aktualisierung am 16. April 2017)

Was ist daraus geworden? Gistbrocades wurde 1998 von der Firma DSM aufgekauft. Ganz selbstverständlich ist heute die Zugabe gentechnisch hergesteller Phytase zum Futter von Schweinen und Geflügel. Und wo früher Horrorszenarien zur Gentechnik an die Wand gemalt wurden, spricht man jetzt von einer „Verbesserung der Nachhaltigkeit“.

Impfstoff gegen Borreliose gesucht

Bestenfalls lästig und schlimmstenfalls gesundheitsgefährdend können Zecken für den Menschen sein. Wer häufig durch den Wald streift, hat sicher schon mit den kleinen Blutsaugern Bekanntschaft schließen müssen, die sich an der Unterseite von Gräsern, Farnen und niedrigen Sträuchern finden.

Wenn sich die Räuber erst einmal festgebissen haben, droht außer dem penetranten Juckreiz auch noch eine Infektion mit dem schraubenförmigen Bakterium Borrelia burgdorferi. Diese Mikroorganismen werden nämlich mit dem Speichel in die Wunde abgesondert und können eine ernste Krankheit hervorrufen.

Schraubenförmige Bakterien der Art Borrelia burgdorferi sind die Auslöser der Lyme-Borreliose (Foto: CDC via Wikimedia Commons)

Es handelt sich dabei um die Lyme-Borreliose, die weit verbreitet, schwierig zu erkennen und auch nicht immer wirksam zu behandeln ist. Eine Hautrötung, die sich ringförmig um die BisssteIle ausbreitet, ist ein erstes Warnzeichen. Wochen danach kann es zu Fieberschüben, Kopfweh und Gelenkschmerzen kommen; in schweren Fällen können Hirnhautentzündungen resultieren, oder der Erreger kann auf den Herzmuskel übergreifen. Noch nach Jahren kann die Borreliose Schmerzen in Gelenken hervorrufen oder Herzrhythmus-Störungen verursachen.

Untersuchungen an Freiwilligen haben ergeben, dass rund drei Prozent aller Bundesbürger schon einmal eine Borrelien-Infektion durchgemacht haben. Forscher des Max-Planck-Institutes für Immunbiologie in Freiburg gehen deshalb davon aus, dass mancher vermeintliche Rheumatiker in Wahrheit von den Mikroorganismen befallen ist. Unter der Leitung von Dr. Markus Simon befasst sich darum eine eigene Arbeitsgruppe mit dieser Problematik und versucht einen Impfstoff herzustellen, der den Menschen vor der tückischen Krankheit schützen soll.

Wie die Max-Planck-Gesellschaft mitteilte, gelang es Simon und seinem Mitarbeiter Ulrich Scheible nach vierjähriger Forschung, hier einen entscheidenden Schritt voranzukommen. Die Wissenschaftler konnten feststellen, welche Oberflächenstrukturen auf den Borreliose-Erregern eine lohnende Zielscheibe für das Immunsystem darstellen. Aus einer Vielzahl von möglichen Eiweißen gelang es ihnen, zwei Kandidaten zu isolieren, mit denen sich bei Mäusen ein Impfschutz hervorrufen lies.

Da die kleinen Nager gewöhnlich nicht an Borreliose erkranken, musste man auf immundefiziente Mäuse zurückgreifen, denen die weißen Blutzellen fehlen. Antikörper gegen die beiden aussichtsreichen Eiweiße konnten in den immungeschwächten Tieren eine Infektion vermeiden. Beim Menschen ließe sich, wenn alles gutgeht, eine Immunantwort erreichen, indem man die gentechnisch hergestellten Eiweiße verabreicht. Diese harmlosen Bruchstücke würden dann zur Bildung von Antikörpern und spezifischen Immunzellen führen. Bei einem Eindringen der Bakterien in die Wunde könnten diese dann sehr schnell unschädlich gemacht werden.

Ein Impfstoff gegen die Lyme-Borreliose wäre der zweite „Schlag“ gegen Infektionskrankheiten, die durch Zecken übertragen werden: Vor wenigen Jahren gelang es, einen Impfschutz gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zu entwickeln,

Diese schwere, manchmal tödliche Hirnhautentzündung wird durch ein Virus hervorgerufen. Beide Impfstoffe werden die Zecken zwar auch weiterhin nicht von ihrem blutsaugenden Geschäft abhalten, sie könnten aber dazu führen, dass Menschen dann nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen werden.

(erschienen in der WELT vom 2. Oktober 1990. Letzte Aktualisierung 13. April 2017)

Was ist daraus geworden? An diesem Erreger beißen Forscher sich noch immer die Zähne aus. Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes für Europa sei schwierig, so das Robert-Koch-Institut im Jahr 2007. Vorübergehend war zwar ein Impfstoff in den USA verfügbar, allerdings sind die dortigen Erreger nicht mit denen in Europa identisch und der Hersteller hat sein Produkt laut Wikipedia „aus kommerziellen Gründen“ wieder vom Markt genommen. Auch die Angst, wegen vermeintlicher Nebenwirkungen verklagt zu werden, spielte dabei eine Rolle, suggeriert ein Artikel aus dem „Laborjournal“.  Forscher der Valneva Austria GmbH haben dennoch einen neuen Impfstoffkandidaten entwickelt, und prüfen ihn derzeit in einer Phase I-Studie.

Weniger Medikamente bei Herzrhythmusstörungen

Die Frage, wie dem „elektrischen Unfall“ Herzinfarkt am besten beizukommen ist, wird von Experten heftig diskutiert. Auf einer Tagung über Herzrhythmusstörungen in Königswinter bei Bonn bemühen sich Kardiologen zurzeit, die beste Behandlungsmethode zu ermitteln.

Allein in der Bundesrepublik sterben jährlich etwa 360000 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wie der Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Bonn, Professor Berndt Lüderitz, erklärte, ist unter den Patienten eine zunehmende Medikamentenverdrossenheit zu beobachten. Arzneimittel gegen Herzrhythmusstörungen (Antiarrhythmika) sind kompliziert zu handhaben, da die Erkrankung verschiedene Ursachen haben kann. Außerdem können diese Medikamente die Erregungsleitung im Herzen an mehreren Stellen beeinflussen. In letzter Zeit seien Nebenwirkungen vermehrt beobachtet worden, sagte Lüderitz.

„Ein Beweis dafür, dass Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen lebensverlängernd wirken, steht bisher noch aus“, bemerkte der Mediziner. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Herzschrittmacher seine lebensverlängernde Wirkung bereits unter Beweis gestellt hat. Wie zu erfahren war, wird das Bundesgesundheitsamt den Einsatz von Antiarrhythmika voraussichtlich gegen Ende des Jahres stark einschränken.

Trotzdem werden Antiarrhythmika auch weiterhin ihren Platz bei der Therapie von Herzkrankheiten haben und vor allem in Notfällen eingesetzt werden. Ziel der rund 250 Kardiologen, die sich in Bonn versammelt haben, wird es sein, den Stellenwert der verschiedenen Behandlungsformen zu ermitteln. Dieses Unternehmen wird auch vom Forschungsministerium unterstützt: Von einer großen Langzeitstudie erhofft man sich darüber Aufschluss, ob Elektroschockgeräte (Defibrillatoren) oder Medikamente besser geeignet sind, den plötzlichen Herztod zu verhindern.

Außer Defibrillatoren stehen den Kardiologen eine Reihe weiterer Möglichkeiten offen, Herzrhythmusstörungen ohne Medikamente zu behandeln: So wurden Herzschrittmacher entwickelt, die nicht nur auf ein Aussetzen des Herzschlages, sondern auch auf seine Beschleunigung reagieren. Auch die Lasertechnik leistet mittlerweile einen wertvollen Beitrag zur Chirurgie des Herzens.

Lüderitz betonte, dass trotz medizinischer Fortschritte die größten Erfolge durch eine vernünftige Lebensweise zu erzielen wären. So hat eine konsequente, teilweise auch aggressive Gesundheitsaufklärung in den Vereinigten Staaten die Zahl der Herztoten deutlich vermindert.

(erschienen in der WELT am 14. September 1990, letzte Aktualisierung 21. März 2017)

Was ist daraus geworden? Im Standardwerk „Innere Medizin“ von Gerd Herold (Ausgabe 2012) stehen die Antiarrythmika zwar immer noch vor Elektrotherapie und Katheterablation sowie chirurgischen Eingriffen, allerdings wird drauf hingewiesen, dass Nutzen und Nebenwirkungen dieser Medikamentenklasse gegeneinander abgewogen werden müssten. Erneut wird hier betont, dass hinsichtlich der Sterblichkeit die Therapie mit Antiarrhythmika keinen Vorteil bringt, und dass die beiden Studien CAST und SWORD sogar eine Verschlechterung der Prognose für Postinfarktpatienten gezeigt hätten.

Organe aus der Retorte

Man nehme: einige Streifen feinfaseriges Gore-Tex („Engelshaar“), etwas Kollagen und dazu einen Schuss Wachstumsfaktor und ein paar Leberzellen. Nach sorgfältigem Mischen dieser „Zutaten“ erhält man ein Kunstorgan, das in der Lage ist, die Funktion einer Leber zu übernehmen. Was wie die Phantasie eines Science-fiction-Autors anmutet, wurde im Tierversuch bereits erfolgreich erprobt.

Das „Neo-Organ“, entwickelt von den amerikanischen Forschern John Thompson und Thomas Maciag, entsprang dem Versuch, angeborene Mangelkrankheiten durch die Gabe gesunder Zellen zu beheben. Dazu waren zwei Hürden zu nehmen: Ohne ausreichende Nährstoff-Versorgung können nur wenige Zellen überleben. Erst wenn über Blutgefäße Sauerstoff und Zucker geliefert werden, kann sich das Kunstorgan entwickeln.

Thompson und Maciag lösten beide Probleme, indem sie fein gesponnene Gore-Tex-Fäden mit dem Eiweiß Kollagen überzogen und dann in einer Nährlösung bebrüteten, die das biologische Signalmolekül HBGF enthielt. Die schwammartigen Gebilde wurden dann in die Bauchhöhle von Ratten eingepflanzt und zunächst sich selbst überlassen.

Als die Forscher vier Wochen nach der Operation die Bauchhöhle wieder öffneten, trauten sie kaum ihren Augen: Offensichtlich von HBGF angelockt, hatten sich Blutgefäße ausgebildet, die das Kunstorgan mit dem umliegenden Gewebe verbanden. Unter dem Mikroskop konnten die Wissenschaftler verschiedenste Zelltypen entdecken, die sich um die Gore-Tex-Fäden gruppiert hatten – Muskelgewebe und sogar Nervenzellen haben sie gefunden.

In einem zweiten Experiment wurde versucht, mit Hilfe der entstandenen Neo-Organe eine Erbkrankheit zu korrigieren. Die Forscher nahmen Ratten, deren Leber nicht mehr den Gallenfarbstoff Bilirubin entgiften konnte – die Tiere litten also an Gelbsucht. Die Forscher besiedelten die Neo-Organe mit gesunden Leberzellen und schon am nächsten Tag sank der Bilirubingehalt des Blutes deutlich ab. Die transplantierten Zellen hatten in dem Neo-Organ ein neues Zuhause gefunden und begannen sofort mit der Entgiftungsarbeit. Nach etwa drei Wochen hatte die künstliche Leber ihre Arbeit voll aufgenommen und auch sechs Monate später funktionierte das Neo-Organ noch einwandfrei.

Auch beim Menschen sind eine Reihe von Krankheitsbildern bekannt, die auf einen gestörten Billrubinstoffwechsel zurückgehen. Thompson und Maciag sehen hier eine Vielzahl von Anwendungen. Auch die Milz und Herzkranzgefäße haben die Wissenschaftler im Visier. Thompson ist besonders von der Aussicht begeistert, dass die Kunstorgane auch Nervenzellen bilden könnten und denkt dabei an die Opfer der Alzheimerschen Krankheit und anderer Störungen des Nervensystems.

Die Befürworter einer Gentherapie am Menschen sind ebenfalls hellhörig geworden. Sie sehen in den Neo-Organen ein geeignetes Vehikel, um gentechnisch veränderte Zellen in den menschlichen Organismus einzuschleusen. Dort könnten sie dann vor Ort die verschiedensten Wirkstoffe produzieren und so als Medikamentendepot dienen.

Gegen Herz- und Kreislauferkrankungen werden in den Laboratorien bereits neue Waffen geschmiedet. Genetisch programmierte Endothelzellen könnten die verschiedenen Wirkstoffe direkt in die Blutbahn abgeben. James Wilson von der Universität Michigan hat die ersten Versuche an Hunden bereits erfolgreich abgeschlossen. Während Wilson künstliche Arterien mit seinen Zellen besiedelte, gelang es seinem Kollegen Gary Nabel, die beschädigten Blutbahnen einer Schweinerasse neu auszukleiden. Bisher haben beide Arbeitsgruppen nur einen „Genmarker“ benutzt, der es ihnen erlaubte, den Weg der implantierten Zellen zu verfolgen.

Schon bald aber soll das Gen für TPA zum Einsatz kommen, wodurch Blutgerinnsel aufgelöst oder verhindert werden könnten. Dazu müsste die – bekannte – Erbinformation für die Herstellung von TPA in die Zelle eingeschmuggelt werden. Ein „genetischer Schalter“ würde dafür sorgen, daß die Produktion dieser lebenswichtigen Substanz durch den behandelnden Arzt reguliert werden könnte. Mit der gleichen Methode ließe sich möglicherweise der Arterienverkalkung beikommen. Bluter und Zuckerkranke sind weitere Patientengruppen die für eine derartige Therapie in Frage kämen.

Auch bei der Behandlung von Aids könnten die neuen Erkenntnisse zu Fortschritten führen. French Anderson vom Nationalen Gesundheitsinstitut in Maryland hat sich zusammen mit Robert Gallo vom Nationalen Krebsinstitut, bereits eine Strategie überlegt, wie das Aids-Virus (HIV) zu attackieren sei. Sie wollen ein Eiweiß namens CD4 nutzen, das theoretisch in der Lage ist, dem Virus den Zugang zu seinen Wirtszellen zu versperren, CD4 befindet sich zurzeit in der ersten Phase der klinischen Versuche, in einem Stadium also, in dem das Eiweiß an einer kleinen Zahl von Patienten auf seine Verträglichkeit untersucht wird.

Allerdings werden die Moleküle, die mehrmals täglich gespritzt werden müssen, im Blut der Patienten innerhalb kürzester Zeit wieder abgebaut. Andersons Team hat daher den molekularen Bauplan für CD4 in weiße Blutkörperchen (Lymphozyten) eingebaut. Wenn es den Forschern gelingt, diese Lymphozyten zur Produktion größerer Mengen an CD4 zu „überreden“, sollen die Zellen in die Bauchhöhle von Aids-Patienten implantiert werden. Im Inneren eines Neo-Organs könnten die manipulierten Lymphozyten dann das Aids-Virus über längere Zeiträume hinweg in Schach halten.

(leicht gekürzt erschienen in der WELT vom 23. Juni 1990)

Was ist daraus geworden? „Künstliche Organe“ im Sinne dieses Artikels gibt es für den routinemäßigen Einsatz in der Praxis noch immer nicht. Am nähesten ´dran scheint die Forschung mit einer Bauspeicheldrüse aus der Retorte für Typ-1-Diabetiker. Zur Entgiftung außerhalb des Körpers wurde aber das technische System MARS entwickelt und zugelassen bei chronischem Leberversagen von Neugeborenen, Kleinkindern und Kindern, die auf ein Spenderorgan warten.