Fundstücke: Das war der März 2011

Als gelernter Molekularbiologe und großer Fan der Neurowissenschaften war das Highlight des Monats zweifellos die Titisee-Konferenz über Neurale Schaltkreise des Boehringer Ingelheim Fonds, Stiftung für Medizinische Grundlagenforschung. Für deren Magazin „Futura“ durfte ich eine Art Vorbericht schreiben, der ins englische übersetzt wurde, dessen drei Teile ich hier bei Simmformation.de aber im deutschen Original zugänglich gemacht habe (siehe die Artikel „Gene? Neurone? Licht? …und Action!„, „Optogenetik – Ein Kochrezept“ und „Vom Labor zum Patienten„). Erschienen ist jetzt auch das Buch „Das Neueste aus der Medizin 2011 / 2012“, zu dem ich die Kapitel „Augen und Ohren“, „Atmungssystem“ sowie „Haut, Haare und Nägel“ beitragen durfte. Und in Madrid war ich beim Start der Kampagne „1Mission, 1 Million“ dabei, die auf das Vorhoffflimmern als einen bislang noch zu wenig beachteten Risikofaktor für den Schlaganfall aufmerksam machen will. Im Deutschen heißt die Kampagne „Herzenssache Schlaganfall“ und auf der zugehörigen Webseite, kann jeder für die besten Präventionsideen abstimmen (Bericht folgt). Da ich nebenher auch noch an diversen eigenen und fremden Webseiten gebastelt habe, bin ich wieder einmal froh über die Rubrik „Fundstücke des Monats“, denn so kann ich wenigstens einige der bemerkenswerten Nachrichten auflisten, die selbst ausführlich darzustellen mir nicht möglich war:

  • Bessere Chancen bei Hepatitis C: Gegen das mit dem Blut übertragene Hepatitits-C-Virus (HCV) steht voraussichtlich bald ein neuer Wirkstoff zur Verfügung. Boceprevir könnte vor allem jenen Patienten zugute kommen, bei denen die Standardbehandlung mit pegyliertem Interferon und Ribavirin nicht ausreicht, um HCV auf Dauer zu unterdrücken. Details zu der Studie, mit der diese Hoffnung bestätigt wird, sind soeben im New England Journal of Medicine erschienen. Trotz einiger Nebenwirkungen von Boceprevir war der Kommentator der Zeitschrift sehr beeindruckt und sprach davon, dass nun eine neue Ära der HCV-Therapie beginnt.
  • Länger leben mit gelber Farbe: Sehr kleine Mengen des Farbstoffes Thioflavin T verlängern das Leben – jedenfalls für den Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Während ohne Thioflavin T in der von Gordon Lithgow (Buck Institute for Research on Aging in Novato, Kalifornien) geleiteten Studie kein einziger Fadenwurm mehr als 20 Tage alt wurde, waren es mit der optimalen Dosis dieser Chemikalie mehr als 80 Prozent. Die Lebenserwartung der Tiere verlängerten die Forscher so ebenfalls um nahezu 80 Prozent. Vermutlich bindet Thioflavin T an bestimmte giftige Eiweiße und markiert diese so für die „Müllabfuhr“ der Zellen, berichtet die Nachrichtenredaktion der Zeitschrift Nature, wo auch der Originalartikel erschienen ist. Für Alzheimer-Forscher ist Thioflavin T übrigens schon länger ein nützliches Werkzeug, denn es färbt die Ablagerungen bestimmter Eiweiß-Bruchstücke (Aß), die bei der Entstehung der Krankheit eine maßgebliche Rolle spielen.
  • Nach Schlaganfall: Bessere Erholung mit dem Botenstoff Noradrenalin? Diese Vermutung hegt Dr. Christian Grefkes, Leiter der Forschungsgruppe Neuromodulation & Neurorehabilitation am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln. Mit seinen Kollegen hat Grefkes elf Patienten untersucht und festgestellt, dass die Griffkraft der betroffenen Hand sich im Durchschnitt vervierfachte und die Betroffenen außerdem doppelt so schnell mit den Fingern klopfen konnten, nachdem sie das Medikament Reboxetin erhalten hatten, von dem man weiss, dass es die Verweildauer von Noradrenalin im Gehirn erhöht. Zitat Grefkes: „Die Befunde unserer Studie könnten sich als Startpunkt eines neuen, vielversprechenden therapeutischen Ansatzes erweisen, um Störungen in Hirnnetzwerken zu korrigieren und handmotorische Funktionen nach Schlaganfall zu verbessern“. Geplant ist nun die Testung von Reboxetin an einer größeren Patientengruppe über einen Zeitraum von mehreren Wochen, um die Nachhaltigkeit der Verbesserungseffekte zu prüfen. (Originalarbeit: Wang LE et al. Noradrenergic Enhancement Improves Motor Network Connectivity in Stroke Patients. Ann Neurol. 2010 Dec 28).
  • Lerntipps aus der Hirnforschung: Medizinstudenten könnten leichter lernen, mehr behalten und dabei auch mehr Spass haben, wenn die Lehre an den Universitäten sich mehr an wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Hirnforschung orientieren würde. Davon ist Michael Friedlander überzeugt und hat deshalb in der Zeitschrift Academic Medicine seine Vorschläge in einem Fachartikel unterbreitet.

MSimm
Journalist für Medizin & Wissenschaft

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