Die Wochenschau 04-2010

  • Zehn Milliarden Dollar für die nächsten zehn Jahre will Bill Gates mit seiner Stiftung investieren, um Impfstoffe für die ärmsten Länder der Welt zu entwickeln. Durch verstärkte Anstrengungen ließen sich allein bis zum Jahr 2020 annähernd acht Millionen Kinder retten, verbreitete der Software-Milliardär auf einer Pressekonferenz am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos.
  • Dicke Kinder sind „eine Folge der gesellschaftlichen Modernisierung, wobei Übergewicht maßgeblich durch das Auseinanderfallen sozialer und kultureller Strukturen begünstigt wird: durch die Folgen der Überflussgesellschaft auf der einen und durch familiäre Erosionsprozesse und Funktionsdefizite auf der anderen Seite.“  Festgestellt haben dies Forscher der Universität Stuttgart in einer Studie, auf die ich durch meinen Kollegen Dr. Thomas Kron aufmerksam wurde. Am besten lesen Sie dessen Bericht dazu auf seinem Blog „Medizin & Meinung“.
  • Sie sind zwar pflanzlicher Herkunft, deshalb aber nicht unbedenklich: Ginkgo-Präparate, die besonders in Deutschland gerne eingenommen werden, um das Denkvermögen zu fördern, könnten epileptische Anfälle auslösen, warnen Forscher der Universität Bonn.  Im Journal of Natural Products haben Eckhard Leistner und Christel Drewke zehn solcher Vorfälle dokumentiert. Nun seien sie überzeugt, dass Arzneien auf der Basis von Ginkgo biloba schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben könne, schreiben die Wissenschaftler. Im Verdacht haben sie einen bestimmten Inhaltsstoff des Baumes, das so genannte Ginkgotoxin. Diese Substanz könne chemische Signalwege im Körper verändern, schreiben sie. Die Hersteller fordern sie auf, den Ginkgotoxin-Gehalt auf den Verpackungen der verschiedenen Präparate anzugeben.

MSimm
Journalist für Medizin & Wissenschaft

2 Kommentare

  1. Nachdem es eine Zeitlang nur die Gene waren, die für alles verantwortlich waren, ist es ja heute das „Individuum“, das an allem Schuld hat. Dies bedeutet natürlich, dass sich Staat, Gesellschaft, Politik aus der Verantwortung ziehen können. Statt „krankmachende“ Rahmenbedingungen zu thematisieren, soll der Einzelne eben mehr Gesundheitsbewußtsein haben – oder eben mehr Krankenkassenbeiträge bezahlen.
    Deswegen ist diese Arbeit meiner Meinung nach wichtig.Sozialmedizin ist leider kein sehr großes Thema bei uns.

  2. Zum Thema Ginkgotoxin hier ein Statement von Schwabe zur Info:

    Ginkgo-Extrakt wirkt nicht pro-konvulsiv

    Monografiekonformer Ginkgo-Extrakt ist seit mehr als 20 Jahren in Deutschland und vielen anderen Ländern weltweit zugelassen und ein anerkannt wirksamer, gut verträglicher Wirkstoff zur Behandlung von Hirnleistungsstörungen und Demenzerkrankungen. Wirksamkeit und Verträglichkeit wurden auch aktuell in Übersichtsarbeiten (Kasper 2009, Kaschel 2009) sowie vom Institut für Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG 2008) speziell für den Wirkstoff EGb 761® (Tebonin®) mit 240 mg Tagesdosis bestätigt.

    Über die Dokumentation aus umfangreichen klinischen Studien hinaus bestehen Erfahrungen aus der Einnahme von jährlich mehr als 150 Millionen Tagesdosierungen Tebonin® alleine in Deutschland seit mehr als 2 Jahrzehnten. Aus beiden Datenquellen besteht kein Hinweis auf ein Auftreten von Krampfanfällen in kausalem Zusammenhang mit der Anwendung von EGb 761®.

    Dies ist hervorzuheben vor der Erkenntnis, dass dementiell erkrankte Patienten ein gegenüber der Vergleichspopulation signifikant erhöhtes Anfallsrisiko aufweisen (ca. 400 bis 500 auf 100.000 Personenjahre, Scarmeas 2009; So 1996; Hesdorffer 1996). 100.000 Behandlungs-Personenjahre erreicht Tebonin® in Deutschland innerhalb von höchstens 3 Kalenderjahren. Die Beobachtung von Krampfanfällen unter der Tebonin®-Einnahme liegt bei kleiner 5 in drei Kalenderjahren und ist also sogar deutlich geringer als bei der Zielpopulation ohnehin zu erwarten wäre.

    Auch eine Wirkabschwächung von Antiepileptika über zum Beispiel eine Induktion von CYP-Isoenzym 2C19 ist wissenschaftlich nicht belegt (Unger 2009).

    Daher überrascht es, Verdachtsmomente auf Förderung von Krampfanfällen alleine aus experimentellen in vitro Daten abzuleiten (Leistner 2010). Hier stellt sich die Frage: Wie passen diese Daten zu dem klinisch unauffälligen Bild für den Extrakt EGb 761®? Die Analyse zeigt:

    • Die in vitro Daten wurden mit einem Reinstoff (Methylpyridoxin, MPO) in hoher Dosis gewonnen, der seit mehr als 15 Jahren als Inhaltsstoff vor allem der Ginkgosamen bekannt ist. In den für die Extraktherstellung verwendeten getrockneten Blättern ist er nur in geringen Konzentrationen enthalten und wird bei der Extraktherstellung weiter abgereichert.
    • Beim Menschen kommt ausschließlich der Extrakt in seiner Gesamtheit zur Anwendung. Die aufgezeigte MPO-Wirkung ist unter EGb 761® bereits deswegen nicht gegeben, weil der Extrakt neben geringen Konzentrationen an MPO erhebliche Mengen neuroprotektiv wirkender Inhaltsstoffe enthält (z.B. Bilobalid), die offensichtlich das Wirkprofil des Extraktes beim Menschen dominieren. So konnte gezeigt werden, dass das in EGb 761® angereicherte Bilobalid die krampfauslösenden Wirkungen von MPO antagonisiert (Sasaki et al., 1995, 2000)
    • Bei Einnahme des Extraktes sind die Gehalte an MPO um den Faktor 50 bis 100 geringer als diejenigen, die von den Autoren als bedeutsam für die Humanexposition angenommen werden. Tatsächlich lagen in einer Pilotstudie die MPO-Konzentrationen im Plasma nach Einnahme von 240mg EGb 761® sämtlich unter der Nachweisgrenze von 1 Nanogramm pro ml (Schwabe-Daten).
    • Die von Leistner et al als Belege für eine klinische Relevanz angeführten Fallbeispiele überzeugen bereits von der Informationsbasis her nicht. Darüber hinaus führen die anekdotischen Fälle selbst in der Zusammenschau zu einer um mehrhundertfach geringeren Frequenz von Krampfanfällen als in der Vergleichspopulation (s.o.).

    FAZIT für die Patientenberatung:

    Die bereits seit Jahren bekannten und jetzt vorgelegten in vitro Befunde ändern die günstige Verträglichkeitsbewertung von EGb 761® nicht. Die aufgezeigten Erkenntnisse zu den Eigenschaften des Einzelstoffes MPO haben sich in der Behandlungswirklichkeit beim Menschen als nicht relevant erwiesen: Aus der langjährigen Anwendungspraxis mit dem Extrakt EGb 761® bestehen keine Hinweise auf Krampfanfälle mit kausalem Zusammenhang. Selbst die wenigen in zeitlichem Zusammenhang mit der Einnahme des Extraktes berichteten Fälle liegen um ein Vielfaches unter den erwarteten Häufigkeiten der Vergleichspopulation.

    Dies bestätigt den anerkannten Sachverhalt, dass die im Zellkulturtest oder an isolierten Enzymen aufgezeigten Eigenschaften eines geringfügig im Extrakt enthaltenen Einzelstoffes nicht auf die Wirkungen des Extraktes beim Menschen übertragen werden können, zumal im Extrakt EGb 761® quantitativ erheblich umfangreicher enthaltene Inhaltsstoffe die Wirkung beim Menschen bestimmen.

    Darüber hinaus tragen Gebrauchs- und Fachinformation einem theoretischen Risiko für spezielle Personengruppen Rechnung, die nicht zum Anwenderkreis des Extraktes gehören (Anfallskranke, Kinder).

    Literatur
    Kasper, S., Schubert, H. Ginkgo special extract EGb 761® in the treatment of dementia: Evidence of efficacy and tolerability. Fortschr Neurol Psychiat, 2009; 77: 494-506.
    Kaschel R. Ginkgo biloba: specificity of neuropsychological improvement-a selective review in search of differential effects. Hum Psychopharmacol. 2009 Jul;24(5):345-70.

    Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Ginkgohaltige Präparate bei Alzheimer Demenz. Abschlussbericht A05-19B . Köln: IQWiG; 2008.

    Scarmeas N, Lawrence MS, Honig S, Choi H, Cantero J, Brandt J, Blacker D, Albert M,
    Amatniek JC, Marder K, Bell K, Hauser WA, Stern Y: Seizures in Alzheimer Disease:
    Who, When, and How Common? Arch Neurol. 2009 August ; 66(8): 992–997. doi:10.1001/archneurol.2009.130.

    Hesdorffer DC, Hauser WA, Annegers JF, Kokmen E, Rocca WA,: Dementia and adult-onset unprovoked seizures. Neurology 1996; 46:727-730

    Unger M: Klinische Studien zu pharmakokinetischen Arzneimittelinteraktionen mit Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln – ein Update. Zeitschrift für Phytotherapie, 2009; 30 (Suppl. 1): S 17

    Sasaki K, Hatta S, Wada K, Ohshika H, Haga M: Anticonvulsant activity of bilobalide, a sesquiterpene in Ginkgo biloba L. leaves, against chemical-induced and electroshock-induced convulsions in mice. Research Communications in Biological Psychology and Psychiatry 1995;20:145-156.

    Sasaki K, Hatta S, Wada K, Ohshika H, Haga M: Bilobalide prevents reduction of -aminobutyric acid levels and glutamic acid decarboxylase activity induced by 4-O-methylpyridoxine in mouse hippocampus. Life Sciences 2000;67:709-715.

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