Deutsche Forschungsgemeinschaft schafft sich ab

Sehr geärgert habe ich mich über eine aktuelle „Stellungsnahme“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

In vagen Worten und subtilen Andeutungen wird dort über den Betrugsfall Guttenberg gesprochen, ohne jedoch den Namen des Ex-Doktors auch nur auszusprechen, geschweige denn Klartext zu reden. „Wasch´ mich, aber mich nicht naß“ pflegte meine Großmutter über derartiges Gemauschel zu urteilen. Damit sich jeder selbst eine Meinung bilden kann, hier das Dokument im Wortlaut:

„Wissenschaft beruht auf Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Vertrauen“

Angesichts der Diskussion um Plagiate in der Wissenschaft und um das Verhältnis der Politik zur Wissenschaft betont die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die elementare Bedeutung von Vertrauen und Wahrhaftigkeit sowie der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis für die Forschung.

DFG-Präsident Professor Matthias Kleiner erklärte dazu heute in Bonn:

„Wissenschaft beruht auf den Prinzipien von Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Vertrauen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland fühlen sich diesen Prinzipien verpflichtet und handeln nach ihnen – nur  wenige verletzen sie.

Denn wissenschaftliches Fehlverhalten, ob in Form eines Plagiats oder der Manipulation von Daten und Ergebnissen, ist ein schwerwiegendes Vergehen. Gemessen an der Zahl der Personen und Projekte in der Wissenschaft ist das Ausmaß wissenschaftlichen Fehlverhaltens jedoch äußerst gering. Schon deshalb darf die Wissenschaft und dürfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden.

Forscher teilen ihre Ideen und Erkenntnisse miteinander und führen sie, oft gemeinsam, weiter. Aber sie entwenden sie nicht. Denn geistiges Eigentum ist für die Wissenschaft genauso wertvoll wie materielles. Dies muss noch stärker der Gesellschaft und der Politik bewusst werden und von ihnen geteilt werden, zumal dies zu den Grundwerten einer Gesellschaft gehört, die ihren Wohlstand auf Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung gründet.

Von entscheidender Bedeutung ist auch, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler früh mit den Prinzipien von Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Vertrauen und mit den Standards guter wissenschaftlicher Praxis vertraut gemacht werden, aber auch die scharfen Mechanismen der Selbstkontrolle in der Wissenschaft und der strengen Sanktionierung von Fehlverhalten kennen und diese mittragen. Deshalb ist die intensive Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses zentral. Dies gelingt besonders gut in verbindlichen Zusammenhängen wie Forschungsprojekten oder -verbünden sowie in Graduiertenkollegs und Graduiertenschulen.

Die Selbstkontrolle in der Wissenschaft, zu der besonders das bereits 1998 von der DFG etablierte Ombudsman-System beiträgt, funktioniert gut und die vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten sind ausreichend. Sie sollten jedoch noch stärker im Bewusstsein der einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf allen Ebenen in den Hochschulen und Institutionen verankert werden. Denn nichts in der Wissenschaft ist so gut, als dass man es nicht verbessern könnte. Eine allein auf Misstrauen gegründete Kontroll- und Prüfkultur jedoch entspricht nicht dem Wesen von Wissenschaft.“

Ich denke, mit diesem „Statement“ hat sich die DFG einen schlechten Dienst erwiesen. Jeder Akademiker in meinem Bekanntenkreis war empört über die Dreistigkeit, mit der Guttenberg sich seinen Titel zusammengeklaut hat. Jeder, der Monate und Jahre seines Lebens für einen wissenschaftlichen Abschluss investiert hat, kann nur entsetzt sein über die vielen Sympathisanten, die das Raubkopieren und Verwenden fremder Inhalte durch einen Spitzenpolitiker als „Schummelei“ verharmlosen und mit dem Abschreiben einer Hausarbeit in der Schule vergleichen. Man muss sich ja nicht gleich in den Dienst der Opposition stellen, die aus Guttenbergs offensichtlichen Lügen politisches Kapital zu schlagen versucht.

Aber klare, unmissverständliche Worte hatte ich mir von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sehr wohl erhofft. Natürlich bin ich nicht naiv und weiß, dass es am Ende Politiker sind, die über den Milliarden-Etat der DFG entscheiden. Dies darf aber kein Grund sein, mit seiner Kritik derartig hinter dem Berg zu halten, dass sie vom Wahlvolk erstens nicht gehört und zweitens nicht verstanden wird. DFG-Präsident Kleiner mag darauf verweisen, dass Angela Merkel und Guttenberg seine Worte wohl zu deuten wissen. Ich halte dagegen, dass der Fälscher und seine Schutzpatronin dankbar sein werden für Papiere wie dieses, die bequemerweise nicht einmal von Google gefunden werden, wenn man die Suchbegriffe „Guttenberg“, „Betrug“ und „DFG“ kombiniert.

„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ – hätte meine Oma gesagt. Heute wie damals stampfe ich zornig mit dem Fuß auf den Boden und entgegne:  „Das darf doch nicht wahr sein“.

MSimm
Journalist für Medizin & Wissenschaft

1 Kommentar

  1. Die Wissenschaft hat sich längst der Politik ergeben. Das Hochschulsystem wollte ja auch kein einziger echter Wissenschaftler umkrempelt aber Bürokraten kamen und ordneten Elitenprogramme an. Man darf sich einfach keine Illusionen mehr machen. Wir sind nicht viel freier als irgendwelche Libyer – uns geht es nur zu gut um sich lautstark zu beschweren.

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