„Bochumer Forscher haben im Stallstaub den Stoff entdeckt, der Landkinder möglicherweise vor Allergien und allergischem Asthma schützt“, heißt es in einer interessanten Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum. Ich denke, dass die Wissenschaftler (oder die Kollegen von der Pressestelle) mit dieser Zusammenfassung womöglich ein wenig über das Ziel hinaus geschossen sind. Denn bei näherer Betrachtung erfährt man, dass es sich hier lediglich um einen Tierversuch mit Immunzellen von Mäusen handelte. Diese Immunzellen – dendritische Zellen, um genau zu sein – haben die Forscher mit Arabinogalaktan in Kontakt gebracht. Arabinogalaktan ist ein pflanzliches Zuckermolekül, das in großen Mengen im Stallstaub enthalten ist. Der Zusammenhang mit der Allergieforschung besteht darin, dass:
- Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, bekanntermaßen seltener an Allergien und allergischem Asthma leiden, als beispielsweise Kinder, die in städtischen Appartmentwohnungen groß werden.
- Was die Landkinder schützt, war lange rätselhaft. Allerdings vermuten viele Wissenschaftler, dass der vermeintliche Schutzstoff in Ställen zu finden sein müßte, womöglich auch im Stallstaub.
- Fanden die Wissenschaftler um Dr. Marcus Peters von der Abteilung Experimentelle Pneumologie der Universität Bochum, dass einer der häufigsten Stoffe im Stallstaub eben dieses Arabinogalaktan ist. Es kommt in großen Mengen in Futterpflanzen wie dem Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis) vor und macht bis zu zehn Prozent des Stallstaubs aus. Aufgrund dieser Indizien war Arabinogalaktan also einer von vielen möglichen Kandidaten für den Stoff, der Landkinder vor Allergien schützt.
Zurück zu den Mäusen und deren dendritischen Zellen: Die bildeten nämlich unter dem Einfluss von Arabinogalaktan einen Botenstoff (Interleukin 10), der als Bremse für das Immunsystem fungiert. Und die solchermaßen stimulierten dendritischen Zellen waren – im Gegensatz zu nicht mit Arabinogalaktan stimulierten Zellen – nicht mehr in der Lage, eine allergische Reaktion in Gang zu bringen. „Die Abschwächung der Immunreaktion auf diesem Wege ist uns nicht neu“, erklärte Peters. „Auch manche Bakterien machen sich den Mechanismus gezielt zunutze, um die Immunantwort des Wirts abzuschwächen.“ Durch Arabinogalaktan werde aber nur die übersteigerte Wachsamkeit des Immunsystems verhindert – die Abwehr von Krankheitserregern funktioniere weiterhin normal. „Auf die Dosis kommt es an“, so Peters.
Dass ausgerechnet ein Gras-Bestandteil vor Heuschnupfen schützt, wundert die Forscher nicht: „Das ist eine Konzentrationsfrage“, meint Peters. „In kleineren Konzentrationen können die Pollen des Wiesen-Fuchsschwanzes Allergien auslösen, in großen Dosen und sehr früh im Leben aber auch verhindern. Nichts anderes als eine Dosissteigerung ist ja auch die Strategie bei der Hyposensibilisierung (Anm.: eine mehrjährige Therapie gegen Allergien).“
Ob sich Arabinogalaktan zur Vorbeugung oder auch zur Therapie von Allergien und allergischem Asthma einsetzen lässt, werden die Forscher jetzt untersuchen, so die Presssemitteilung. Und weiter: „Denkbar wäre eine Anwendung als Spray oder Nasentropfen, da die Substanz gut wasserlöslich ist.“
Bis dahin, fürchte ich, ist es allerdings noch ein sehr langer Weg. Laut Wikipedia überstehen nur etwa acht Prozent aller Substanzen, die in Zellkulturen oder Tierversuchen erfolgreich als mögliche Arzneikandidaten getestet wurden, die vorgeschriebenen klinischen Studien am Menschen, bevor sie nach etlichen Jahren auf den Markt kommen.
Quelle:
Weitere Informationen:
- Sehr nützlich und umfangreich fand ich den „Ratgeber Allergie“ der Zeitschrift Stern